Die ersten Tage unserer Reise (Cannigione IT)

Vor einigen Wochen haben wir uns auf den 17. Oktober als Abreisedatum geeinigt. Und dann ist dieser Tag plötzlich so schnell hier! Da sitzen wir nun im Zug Richtung Genua und warten, bis der Zug endlich abfährt. Das grosse Winken und Tschüss sagen dauerte lange an und wir können es kaum erwarten, dass sich endlich die Gefühle einstellen, von denen wir schon so lange träumen. Wir erwarten ein Gefühl von wir sind losgegangen oder ein etwas melancholisches wir werden für eine lange Zeit weg sein. Als der Zug losfährt, stellt sich keines von beiden richtig ein. Wir sind vor allem erschöpft vom Abschlussstress der letzten Wochen und gerührt von all den lieben Menschen, die mit uns an diesem Freitagmorgen an den Bahnhof gekommen sind. 

Solea, Planado und das kleine Städtchen Cannigione begrüssen uns am 18. Oktober mit warmem, sonnigem Wetter. Zum Glück nimmt uns der für uns unpassende vorhergesagte Westwind die Entscheidung ab, wie zügig wir losgehen sollen und wir haben genug Zeit, auf den Schiffen und in der Gruppe anzukommen. Es gibt zwar einiges zu tun, wir haben in diesen ersten Tagen aber auch richtig viel Zeit, einfach zu sein.

Der Platz, den unsere Schiffe bieten oder eben nicht bieten, ist eines der Themen, die uns zu Beginn am meisten beschäftigen. Wir wollen 2 Kites und einen Wingfoil mitnehmen. Wir brauchen auch Platz für zwei Dingis und von zwei Standup-Paddles können wir uns auch nicht trennen. Zudem werden wir für viel längere Zeitperioden Essen und Wasser einkaufen, als wir es von bisherigen Segelwochen gewohnt sind. Deshalb brauchen wir ein gutes System, wie wir all dieses Material verstauen können. Eines unserer grössten To-do’s in den ersten Tagen ist also das Ausräumen der Schiffe, das Entscheiden, was wir dabei haben wollen, wie wir was einräumen und was wir nicht mitnehmen wollen und deshalb nach Hause kommt. Alex aus dem Verein hat sich glücklicherweise bereit erklärt zu uns runter zu fliegen und das Auto zu holen, welches wir vollgestopft haben mit all dem Material von dem wir uns gerne trennen möchten.

Weitere To-do’s sind das Wechseln einer Ankerwinsch, das Flicken von Planados Kompass-Lichtlein, das Einsortieren von neuen Medikamenten und noch einige mehr. Zudem drücken wir uns regelmässig in den für 12 Personen doch engen Salon und besprechen, inwiefern wir unsere Reise dokumentieren wollen oder was es noch für Strukturen braucht, damit ein Zusammenleben angenehm und nicht energiezehrend sein kann. Wir nehmen uns auch nochmals Zeit, uns mit 1-2 Themen auseinanderzusetzen, die uns wichtig erscheinen oder uns interessieren. Léonie hat sich bereit erklärt, sich mit uns an einem Morgen nochmals etwas intensiver mit der Ersten-Hilfe an Bord auseinanderzusetzen und an einem anderen Morgen versuchen wir Flo’s ausführliche Notizen zur Bordelektronik zu verstehen.  Von all diesen Dingen haben wir aber auch vieles schnell erledigt und es gibt Tage, an denen wir aufstehen und einfach in den Tag hineinleben. Das fühlt sich noch etwas komisch an. Es geht jetzt endgültig nicht mehr nur darum, Dinge zu organisieren und vorzubereiten, sondern uns endlich gemeinsam auf diese grosse Reise zu begeben und unsere Rucksäcklis mit allen möglichen Erinnerungen und Erfahrungen zu füllen. Wir geben uns also freudig, aber noch etwas vorsichtig diesem Sein hin. Das bedeutet, dass wir bei der morgendlichen Tagesplanung immer mehr von langen To-do-Listen zu Wer hat Lust auf einen Jass? oder Wer kommt mit mir auf diesen Berg? wechseln. Die Hügel, die Cannigione umgeben, haben wir in dieser Woche wirklich fast alle erklommen. Wir kennen die kleine Ortschaft, in der wir im normalen Saisonbetrieb meist nur 1-2 Tage verbringen, nun von jedem Winkel. 

Und dann entscheiden wir ziemlich plötzlich loszugehen. Der Wind dreht für einen Tag von West nach Süd und wir wollen diesen Wind nutzen, die erste Etappe zurückzulegen und von Sardinien nach Menorca zu segeln. Auf günstigen Wind, um im Mittelmeer westwärts zu kommen, kann man zu dieser Jahreszeit sehr lange warten, bestätigt ein Telefon mit Luca, einem erfahrenen Vereinsmitglied. Wir gehen davon aus, dass die Reise aus dem Mittelmeer so oder so eher beschwerlich werden wird und entscheiden uns jedes kleine bessere Wetterfenster zu nutzen. Es liegen 50 anspruchsvolle Stunden vor uns, Wind und Wellen von vorne und seitlich. Unsere Energiereserven sind jedoch aufgeladen, die Schiffe bereit und wir auch. Wir starten unsere Reise am Mittag vom 28. Oktober. Immer mit einer Handvoll Wasser unter dem Schwert. 

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Segelwoche bei Sardinien