Unsere erste Überfahrt (Sardinien - Menorca)
Die Segelkleider sind montiert. Die Rümpfe sind voll mit Essen, Wasser und allem, was wir brauchen. Es ist Dienstag, der 28. November und unsere Reise kann beginnen.
Obwohl wir uns nur für drei Tage trennen, umarmen wir uns ganz schön fest, bevor wir die Leinen auf Slip und dann, die Leinen lösen. Es kribbelt im Bauch, als wir einander zuwinken und uns von Cannigione verabschieden. Dann spüren wir ganz schnell, was uns die nächsten Tage erwarten wird. AmWind kreuzen wir mit 30 Knoten Wind zwischen Sardinien und Korsika in den Westen. Alles nass, schon ein bisschen kalt und den ersten wird schon bald übel. Planado und Solea verlieren sich schnell aus den Augen. Ab da werden die Crews zwei ganz unterschiedliche Überfahrten erleben.
Der Körper verfällt in einen meditativen Zustand, wenn er damit beschäftigt ist, sich an das Schaukeln und den ohrenbetäubenden Wind zu gewöhnen. Die Stunden vergehen in diesem Sein sehr schnell. Mit dem Sonnenuntergang gerade voraus, setzt die erste Nachtschicht ein. Die Nachtstunden gehen fast noch schneller vorbei, als die hellen Stunden. Irgendwann stellt der Wind ab und wir fahren mit einem leisen Summen durch die Flaute. Weil Planado ein bisschen schneller unterwegs war, gewinnen sie nun durch eine viel kürzere Flautenzeit noch mehr Vorsprung. Der Funkkontakt zwischen den Schiffen bricht ab und bis an unser Ziel werden wir nichts mehr voneinander hören. Wie geht es den anderen wohl? Was machen sie gerade? Wie fühlen sie sich? Geht es ihnen gut?
Und mit dem Sonnenaufgang im Rücken bricht der zweite Tag an. Auf der Solea ist die Übelkeit überwunden und zwischen steuern, sitzen, in die Ferne schauen und schlafen bleibt gar nicht viel Zeit für viel mehr. So geht auch der zweite Tag schnell vorbei.
Auf der Planado ist die Übelkeit leider noch ein präsenter Begleiter. Alle sind nass und kalt und die Segelkleider werden gar nicht erst wieder abgezogen, auch um zu schlafen. Wie Sardinen liegen alle nebeneinander im Salon und suchen ein bisschen Erholung.
Auch auf der Solea sind nicht mehr alle Crewmitglieder ganz trocken. Aber trotz des wirklich heftigen Schaukelns, den Überflutungen, dem nass und kalt Sein, bleibt die Stimmung hoch. Auf beiden Schiffen.
Zu unseren ersten Wildlife-Sichtungen zählen: fliegende Fische, eine Schildkröte und kleine grüne Zugvögel. Und in der Nacht glitzern die Wellen hinter uns wegen des Leuchtplankton.
Mit der Dunkelheit kommt Regen und die Wolken werden nicht nur durch die Nacht immer dunkler. Wir machen zu zweit eine Schicht von 3 bis 5 Stunden. Irgendwann erscheinen die ersten Blitze am Himmel und als sich Solea mit Dshamiljo und Celina am Steuer genau in der Gewitterzelle befindet, stellt der Wind einfach ab. Das Schiff dreht sich, wir schauen einfach zu. Vertrauen. Dann kommt wieder Wind. Und wir müssen zuerst wieder auf Kurs finden. Die Blitze mit ihren wunderschönen Formen und Lichtspielen ziehen langsam davon. In uns ist es ruhig. Mit dem Vertrauen zum Schiff, zueinander, zu den Wellen zum Wind und irgendwie dem Vertrauen ins Universum, kommt für keine Sekunde die Angst in uns hervor. Nach der Winddrehung kommt kurz der Platzregen und danach ist eigentlich alles wieder vorbei.
Hinter den Wolken wird es langsam hell und man sieht wieder, was uns umgibt. Durch den Tag, unseren dritten Tag, werden die Wellen immer kleiner und mit überraschendem Nordwind segeln wir immer ruhiger auf Menorca zu. Auf der Solea lösen wir wieder die ersten Kreuzworträtsel, nehmen sogar kurz die Ukulele hervor und geniessen dann schon einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang. Dabei machen wir einen Vibecheck und tauschen uns gemeinsam über die letzten Tage aus. Wir sind alle mit Stolz erfüllt. Unsere erste, sehr herausfordernde Überfahrt haben wir nun beinahe geschafft.
Seit ein paar Stunden sehen wir auf Solea Land und zwischen uns und Planado fand ein kurzer Austausch statt.
Planado, durch ihren Vorsprung, sucht kurz nach dem Mittag einen Stegplatz in einem Hafen und kann sich nach dem Ankommen schon ein bisschen erholen, bevor Solea mit sechs Stunden Unterschied im Dunkeln dann, in eine lange Bucht fährt. Die Häuschen und Strassen auf diesem für uns unbekannten Stück Erde sind schön beleuchtet.
Am Ende der Bucht erwartet uns um 20 Uhr ein Hafen und ein Schiff, das der Solea sehr ähnlich sieht. Darauf Menschen, die wir schon nur in diesen 50 Stunden unglaublich vermisst haben. Mit unendlich viel Glück im Bauch sehen wir das Winken und das Leuchten einer Taschenlampe, die uns den Weg zu unserem Steg zeigt. Wir hören die Willkommensrufe und nur kurz danach nehmen wir uns alle in die Arme. Wir sind wieder beisammen.
Nach dem Ankommen in Mao dauert es doch für manche ein paar Stunden, um sich wirklich wiederzufinden, wieder aus zwei Gruppen, zwei Erlebnissen, eine zu machen.
Aber durchs Käfelen an einem neuen Ort, wieder zusammen kochen und durchs Teilen all der Geschichten der letzten Tage, finden wir uns wieder. Wir verbringen einen Tag in Mao, putzen die Schiffe, machen Wäsche, verarbeiten unsere Erlebnisse, essen am Abend lecker Tapas und gehen sogar noch ein bisschen tanzen.
Langsam können wir uns die nächsten 8 Monate vorstellen. Es kommt ein Reisegefühl hoch. Das Gefühl, das fremde Orte, neue Luft und die weite Sicht übers Meer so mit sich bringen. Und mit diesem Gefühl segeln wir am Samstag nördlich um die Insel Menorca bis in eine Bucht. Jetzt schon den Eindruck zu haben: "Es kann ja gar nicht schöner werden" macht nur noch neugieriger, auf die noch viel schöneren Strände, Felsen und Buchten, die noch kommen werden.