Das Leben an Bord und die Balearen
Gestern Abend habe ich am Herd in einem grossen Topf Polenta gerührt und habe versucht mir die Sätze zu merken die sich plötzlich in meinem Kopf geformt haben. Von diesem Moment würde ich euch gerne erzählen.
Mit grossem Elan rühren Carmen und ich im Polenta-Topf. We are on a Mission! Obwohl die meisten von uns extrem viel Essen mögen, hat sich bis jetzt noch keine Person getraut Polenta zu kochen. Schon beim Gedanken an den gelblichen Brei rümpfen Celina und Dshamme verachtend die Nase. Wir glauben jedoch, dass Polenta sehr lecker sein kann, wenn man sie richtig kocht und wollen die beiden heute Abend umstimmen.
Meistens ist der Platz auf Solea und Planado begrenzt, und auch in der Küche können höchstens zwei Personen gleichzeitig stehen. Selbst dann steht man dicht beieinander, oft Rücken an Rücken. Es finden sich aber immer ein paar, denen es Draussen zu frisch wird und die der Küchen-Crew vom Salon aus helfen Gemüse zu schnippeln. Auch auf den Balearen spürt man den Herbst und Draussen kühlt es erstaunlich schnell ab sobald die Sonne weg ist. Zur heutigen Schnippel-Crew gehören Annso und Noah. Im Salon eingekuschelt sind auch Léonie, Celina und Theo, sie spielen Mafia. Noah hat uns das Spiel zum ersten Mal in unserer Segelwoche im August gezeigt, schnell ist es eines unserer Lieblingsspiele geworden. Das Spiel ist nicht nur beim Mitspielen toll, noch viel unterhaltsamer ist es eigentlich zuzuschauen, oder wie in unserem Fall, beim nebenbei Kochen.
Wenn wir in einem der Rümpfe kochen und nicht ausreichend lüften können, sei es, weil es draussen zu kalt ist oder wir, wie in dieser Bucht, von Mücken gefressen würden, verwandelt sich der Raum schnell in eine kleine Sauna. Heute ist das eigentlich sogar noch angenehm, wir sind mehrheitlich noch etwas durchgefroren vom Tag und warten darauf bis unsere Zehenspitzen wieder warm werden. Wir befinden uns an der nördlichsten Spitze von Formentera, die kleine Nachbarsinsel von Ibiza. Wir haben den Tag in der Bucht verbracht und die meisten von uns waren den ganzen Nachmittag auf der kleinen Insel unterwegs. Zu den grössten Highlights des Tages gehört, dass wir auflandigen Wind hatten und Nici und Flo endlich einen Kite steigen lassen konnten. Wir fragen uns, ob und wo wir in der Karibik ebenfalls solche Buchten mit diesen idealen Bedingungen finden werden. So lassen sich viele unterschiedliche Bedürfnisse auf einmal erfüllen. Wir anderen haben uns hauptsächlich in Bücher vertieft. Während Léonie immer noch schlotternd im Salon sitzt, befinden sich Nici und Flo, trotz der Kälte, Draussen im Cockpit. Das kann nur am Video liegen, welches die beiden und einige andere gerade völlig in den Bann zieht. Das Video erklärt ausführlich wie man einen Fisch filetiert. Fischen, eines unserer grösseren Themen. Kaum haben wir eine Bucht oder einen Hafen verlassen, ist die Leine bereits Draussen, und kaum sind wir irgendwo angekommen, wird schon der nächste Fischerladen aufgesucht.
Die Polenta ist fertig, und wir drücken uns wieder einmal alle zusammen in den Salon. Für alle 12 reicht der Platz nicht. Eine Person sitzt meist noch auf der Treppe, eine andere neben dem Lavabo oder steht. Carmen zwinkert mir zu. Die Polenta schmeckt allen.
Natürlich ist nicht jeder Tag so harmonisch wie dieser den ich hier beschreibe (...obwohl die meisten sehr harmonisch sind!). Wir versuchen noch herauszufinden wie wir uns in der Gruppe am besten organisieren. Wieviel Struktur brauchen wir? Wieviel funktioniert einfach so? Was dürfen oder sollen wir wann kommunizieren? Heute Morgen haben wir uns nach dem Frühstück verabredet, um gemeinsam darüber zu sprechen, ob es Dinge gibt die uns stören, oder Abläufe, die wir angenehmer gestalten können. Und schon hier gehen die Meinungen auseinander. Brauchen wir regelmässig einen Rahmen, in dem alle 12 zusammenkommen, um über bestimmte Themen zu sprechen? Wieviel lässt sich auch bilateral klären? Während einige solche Runden sehr schätzen, empfinden andere sie hingegen als ziemlich anstrengend. Bei einigen Themen kommen wir in der grossen Runde tatsächlich nur in kleinen Schritten vorwärts, in anderen finden wir uns jedoch schnell. Beispielsweise haben wir uns an diesem Morgen geeinigt, dass die Routenplanung und das damit verbundene Wetter-Checken nicht nur Aufgabe der Skipper sein soll. Bis dahin haben diese Aufgabe meist diejenigen übernommen, die sich bereits gut mit unserer Wetter- und Routenplanungs-App auskennen. In Zukunft wollen wir jedoch lauter kommunizieren, wenn sich ein paar mit dem Wind auseinandersetzen, damit alle die Chance haben dazuzukommen und zu lernen.
Auch wenn solche Diskussionsrunden für einige anstrengend sind, waren es in den letzten Wochen jedoch eher die Wellen, die gelegentlich in unsere Ankerbucht zogen, die uns die Stimmung verdarben. Solche äusseren Umstände, wirken sich spürbar und sehr schnell auf die Stimmung in der Gruppe aus.
Mit dieser Bucht, verlassen wir die Letzte der Balearen und machen uns auf den Weg Richtung Festland. Wir wollen genug früh in der Nähe von Gibraltar sein. Die Wetterfenster, um aus dem Mittelmeer zu gelangen, sind nach wie vor sehr begrenzt und wir möchten nah sein, sobald sich ein gutes öffnet. Unsere Überfahrten von Menorca nach Mallorca und dann von Mallorca nach Ibiza waren deutlich entspannter als die Erste, von Sardinien nach Menorca. Meistens sind wir nah beieinander gesegelt und konnten Funkkontakt halten. Das mit der Übelkeit haben wir inzwischen auch schon besser im Griff, die Polenta sollte ja hoffentlich drinbleiben. Nun freuen wir uns sehr auf eine nächste Nachtfahrt und darauf, in unseren ersten grossen Hafen in Cartagena einzulaufen.